Gastgeberin und Leiterin der Bestattung Judenburg, Silvia Arlt, konnte viele Interessent:innen begrüßen. Der Andrang war groß – handelt es sich doch um ein Thema zu dem es viele offenen Fragen gibt. Die Expert:innenrunde war gut gewählt – denn die Damen und Herren konnten ein breites Spektrum in großer Tiefe abdecken.
Die Patientenombudsfrau des Landes Steiermark, Dr.in Michaela Wlattnig, vertrat den kurzfristig erkrankten Arzt, Ethiker und Juristen A.o. Univ.-Prof. Mag Dr. Thomas Wagner, MA, der in seiner Aufbereitung neben medizinischen und ethischen Gesichtspunkten vor allem die juristischen Belange des am 1. Jänner 2022 in Kraft getretenen Sterbeverfügungsgesetzes (StVfG) vorbereitet hatte. So dient eine Sterbeverfügung dem Nachweis eines dauerhaften, freien und selbstbestimmten Entschlusses zur Selbsttötung. Die einzelnen Paragraphen regeln Vorgaben und Bedingungen, wie z. B. Volljährigkeit und Entscheidungsfähigkeit und das Vorliegen bestimmter Krankheiten (unheilbar und zum Tod führend oder schwer und dauerhaft). Das Gesetz schreibt weiters eine Aufklärung durch zwei ärztliche Personen vor, eine Frist von 12 Wochen, das Präparat mitsamt Dosierung und den Abgabemodus desselben.
Die genauen Regelungen des Gesetzes können Sie hier nachlesen:
https://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblAuth/BGBLA_2021_I_242/BGBLA_2021_I_242.html
Dr.in Wlattnig brachte durch ihre Funktion als Patientenombudsfrau des Landes Steiermark viel praktische Erfahrung mit. Rund 50 Personen wurden seit Inkrafttreten des Gesetzes von der Patientenombudsstelle beraten. Es hat sich gezeigt, dass es für die betroffenen Menschen entlastend ist, dass diese Möglichkeit nun besteht – unabhängig davon ob, sie in Anspruch genommen wird. Es gibt genaue Regelungen auf dem Weg zur Sterbeverfügung. Ein Beispiel ist die Suche eines Arztes/einer Ärztin für die Aufklärungsgespräche oder konkrete Vorgaben für die Inhalte derselben.
Mediziner:innen können auf der Website der Ärztekammer gefunden werden: https://www.aekstmk.or.at/46.
Außerdem gibt es auf der Website des Vereines „Letzte Hilfe“ ein Formular für diese Gespräche als Leitfaden zum Download:
https://www.letztehilfe.at/wp-content/uploads/2022/05/MUSTERFORMULAR_Aufklaerungsbogen-fuer-Aerzte_V-02.0522.pdf
Neben der kompetenten Beratung und Begleitung des/der Sterbewilligen ist Dr.in Wlattnig auch die Einbeziehung des Umfeldes wie etwa Pflegenden und Angehörigen ein Anliegen. Mehr Informationen und Kontakt unter: https://www.patientenvertretung.steiermark.at/cms/ziel/166913584/DE/
Dr. Thomas Daniczek ist Palliativmediziner und stellte die Fragen: Wie gehen Palliativmedizin und Sterbeverfügung zusammen? Stehen sie einander gegenüber oder können sie sich auch ergänzen? Laut WHO dient Palliative-Care der Verbesserung der Lebensqualität von Patienten und ihren Familien, die mit einer lebens-bedrohlichen Erkrankung konfrontiert sind. Dies geschieht durch Vorbeugung und Linderung von Leiden mittels frühzeitiger Erkennung, hochqualifizierter Beurteilung und Behandlung von Schmerzen und anderen Problemen physischer, psychosozialer und spiritueller Natur.
Das Palliativteam ist jeden Tag mit Sterbewünschen konfrontiert, wobei der Sterbewunsch nicht dem Suizidwunsch gleichzusetzen ist. Der Wunsch zu sterben (weil es SO nicht mehr schaffbar ist) und der Wunsch zu leben existieren oftmals parallel. Können Beschwerden gut behandelt werden, legt sich der Sterbewunsch meist wieder. Wichtig dabei sind ihm der Respekt vor dem einzelnen Menschen und offene Gespräche – der Wunsch nach assistiertem Suizid darf auf jeden Fall da sein, und es ist aus seiner Sicht nicht die Aufgabe von Palliative Care jemanden zu „überreden“ oder Patient:innen davon abzubringen. Aber: Direkte Beihilfe beim Suizid wird nicht geleistet.
Mehr Informationen: https://www.lkh-murtal.at/mobiles-palliativteam
Mag.a Brigitte Felfer von Go-On Suizidprävention sieht immer die die betroffene Person selbst im Zentrum. Die Motivation für das menschliche Handeln ist oft sehr unterschiedlich und komplex, obwohl wir gerne einfache Erklärungen haben, die es selten gibt. Akute Suizidalität ist zumeist etwas anderes als wenn jemand eine Sterbeverfügung aufsetzt. Hier gibt es eine Frist von 12 Wochen – während akute Suizidgefahr unter Umständen nur ein paar Stunden vorhanden ist. Ihr ist eine ganzheitliche Betrachtungsweise ein Anliegen – Suizidgedanken sind oft die „Spitze des Eisbergs“ – unter der Oberfläche können Erkrankungen wie etwa Depressionen vorliegen, die es zu behandeln gilt. Wovor sie warnt, ist eine missbräuchliche Auslegung und Anwendung von „aktiver Sterbehilfe“. Die Frage ist immer: Was können wir als Menschen und als Gesellschaft tun, um Betroffene aus der Situation herauszuholen?
Go-On wünscht sich, dass Suizidwünsche enttabuisiert werden, denn offene Gespräche können sehr entlasten. https://suizidpraevention-stmk.at/
Für Notar Mag. Bertram Hofer als „dokumentierende Person“ ist der Themenkreis vor allem aus psychologischer Sicht komplettes Neuland. Der Notar ist sozusagen das letzte Glied in der Kette, der schlussendlich die rechtsgültige Dokumentation vornimmt. Wird eine Sterbeverfügung erstellt, so ist es auch empfehlenswert eine verbindliche Patientenverfügung zu errichten, damit, sollte es zu Komplikationen bei der Einnahme des Präparates kommen, Hilfeleistungen ausgeschlossen werden können. Vorsorge ist aus seiner Sicht das um und auf.
https://www.hofer-pail.at/
Stadtapotheker Dr. Peter Gall sieht die Rolle der Apotheken als zentral an, weil sie das Präparat abgeben. Für die Apotheker:innen ist es eine neue Situation, denn eigentlich gehen die Menschen in eine Apotheke um etwas zu holen, das sie wieder gesund werden lässt.
Wichtige Punkte dabei:
Das Sterbeverfügungsregister: Hier ist die Sterbeverfügung digital hinterlegt und die ausgebende Apotheke (nur öffentliche, keine ärztlichen Hausapotheken) überprüfen wichtige Parameter wie z. B. das Vorhandensein einer Verfügung, zweier ärztlicher Beratungen, das verordnete Präparat, die Dosierung und in welcher Form (orale Lösung, Infusionslösung oder Pulver in Reinsubstanz) es ausgegeben wird.
Die Sterbeverfügungspräparateverordnung: Sie legt fest, welches Präparat in welcher Dosierung ausgegeben werden darf. Es handelt sich dabei um Natrium-Pentobarbital in einer Dosierung von einheitlich 15 g. Dazu kommt noch eine Begleitmedikation, die Übelkeit verhindert. Der/die Patient:in setzt Schritt selbst, sprich die Lösung einnehmen oder den Hebel an der Infusion öffnen.
Um Missbrauch zu verhindern, müssen nicht verwendete Lösungen wieder an die ausgebende Apotheke retourniert werden.
https://www.stadtapotheke-gall.at/
Im Anschluss hatten die Besucher:innen die Möglichkeit Fragen zu stellen oder mit den Vortragenden zu sprechen. Der Bestattung Judenburg der Stadtwerke Judenburg AG ist es wichtig, im Sinnen ihrer gesellschaftlichen Aufgabe, solche Plattformen zu ermöglichen, Service zu bieten und zum Diskurs beizutragen.
Am Seitenanfang im Bild die Expert:innenrunde vlnr: Dr. Thomas Daniczek (Palliativmediziner), Mag.a Brigitte Felfer (Go-On Suizidprävention), Silvia Arlt (Leitung Bestattung), Mag. Bertram Hofer (Notar), Ing. Mag. Manfred Wehr (Vorstandsvorsitzender STWJUAG), Dr. Peter Gall (Pharmazeut), Dr. in Michaela Wlattnig (Patientenombudsfrau des Landes Steiermark)